Fotos -rotz Krieges – Modewelt setzt Zeichen in Kiew

Es war der wahrscheinlich berührendste Moment in der an solchen Momenten reichen Ukrainian Fashion Week: Der ukrainische Designer Andreas Moskin schickte neben professionellen Models Kriegsveteranen mit Prothesen über den Laufsteg.
Mit der Rückkehr nach Kiew wollten die Veranstalter der Ukrainian Fashion Week ein Zeichen nach innen und nach außen setzen. „Es ging uns darum, der ukrainischen Modeindustrie mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen“, sagt die Chefin der Ukrainian Fashion Week, Iryna Danylewska, im Gespräch mit ORF-Topos.

Inlandsmarkt nach Krieg eingebrochen
An der Branche hängen Tausende Jobs, von den Designern über Models, Fotografen bis hin zu den Schneidern, die die Mode in der Ukraine produzieren. Nach Kriegsbeginn sei der Inlandsmarkt um 80 Prozent eingebrochen. Zuletzt gab es eine leichte Erholung der Inlandsgeschäfte, mit der Fashion Week in der Heimat sollte sie zusätzlich unterstützt werden, so Danylewska.
Gedenkminuten an die Opfer des Krieges standen am Beginn der Shows am zentralen Veranstaltungsort, dem Kulturzentrum Mystezkyj Arsenal. Eine Fotoausstellung erinnerte an Menschen aus der Modeszene, die ihr ziviles Outfit mit der Uniform getauscht haben, um ihr Land zu verteidigen.
Zwei von ihnen haben bereits mit dem Leben bezahlt. Ein Zeichen der Anerkennung und des Dankes für ihren Einsatz soll die kleine Porträtgalerie sein. Allgegenwärtig sind auch die Schilder, die den Weg zum Luftschutzbunker weisen.
Und es gab auch ein anderes Ziel: die Moral der Bevölkerung zu heben, die seit zweieinhalb Jahren unter dem Terror russischer Luftangriffe lebt. Russland macht kein Hehl daraus, dass es der ukrainischen Kultur in all ihren Facetten den Garaus machen will. Wie Literatur, Musik und Kunst setzt dem auch die ukrainische Modewelt ihren Willen zur Selbstbehauptung entgegen.
In der Mode findet dieser Wille seinen Ausdruck in der Rückbesinnung auf die traditionelle ukrainische Kultur – von alten Handwerkstechniken bis hin zu den Stickereien der traditionellen Trachten. Das Ganze verbunden mit moderner Technologie und Konzepten.

Auf dem Sprung in die Welt
Ein Beispiel ist Ruslan Baginskyi, der seit 2015 Hüte, Kappen und Mützen herstellt, die auch die Köpfe von Stars wie Taylor Swift und Madonna zieren. Baginskyis Markenzeichen ist die Baker Boy Cap, seit Jahren entwirft er immer neue Variationen.
Auf prominente Testimonials kann auch der Kiewer Designer Ivan Frolov zählen – Beyonce, Sam Smith und Doja Cat zählen dazu. Frolov verbindet glamouröse und sexy Haute Couture mit gesellschaftlichem Engagement – einst im Kampf gegen HIV, heute für das Überleben seiner Heimat. Bis heute wird in Kiew produziert. „Kiewbedeutet mir alles, es ist meine Seele“
Zu den international arrivierten Designerinnen zählt auch Ksenia Schnaider. Seit dem Start im Jahr 2011 hat sie sich mit dem Recycling von alten Denimstoffen einen Namen gemacht. Und mit der Demi-Denim – einer Hose, die aussieht, als würde man eine weite Hose oder einen Rock über Slim-Fit-Jean tragen. Bei der Ukrainian Fashion Week hat sie ihre zweite Kollektion in Kooperation mit adidas vorgestellt.
Sehr jung, aber schon sehr erfolgreich, ist TG Botanical. Im Coronavirus-Lockdown ist Tetjana Tschumak die Idee gekommen, eine Modemarke zu gründen, die Natur und Technology verbindet. Tschumak Arbeit mit Hanf, Leinen, Baumwolle und Brennesselfasern, die mit traditionellen Methoden gefärbt werden. 2021 gegründet, schaffte TG Botanical den schnellen Durchbruch über Auftritte bei der Copenhagen Fashion Week.

Hurra, wir leben noch
Der einzig wirklich glamouröse Moment bei dieser in Moll gehaltenen Fashion Week war die Präsentation der Haute Couture von Katja Silschenkos Brand The Coat. Neben der Kiewer Oper feierte Silschenko mit ihrem Team das zehnjährige Bestehen ihrer Marke.
50 Shows und Präsentationen waren es am Ende – von Haute Couture bis Street Fashion. Danylewska, die Leiterin der Ukrainian Fashion Week, freut sich, dass die Leistungsschau der ukrainischen Modebranche ohne gröbere Störungen über die Bühne gehen konnte. Ob auch die nächste Ausgabe wieder in Kiew stattfinden wird? Das können wir noch nicht sagen, lautet die Antwort.

Solidarität auf dem Laufsteg
men der Initiative „Support Ukrainian Fashion“ angewiesen sein. Seit Kriegsbeginn konnten ukrainische Designer ihre Kollektionen als Gäste von Partner-Fashion-Shows präsentieren – von Paris bis London, von Lissabon bis Berlin, von Kopenhagen bis Wien.
„Wir sind der Vienna Fashion Week sehr dankbar, dass sie ihre Türen für ukrainische Designerinnen geöffnet hat“, sagt die Chefin der Ukrainian Fashion Week im Gespräch mit ORF Topos. Erst vergangene Woche war bei der diesjährigen Vienna Fashion Week das ukrainische Designerinnenduo Vorzhbyt&Zemskova zu Gast.
Appell für
Oder wieder stärker auf die Hilfe internationaler Partner im Rah
Gerade in den Wochen rund um die Fashion Week hatte Russland mit schweren Luftangriffen die Energieinfrastruktur der Ukraine schwer getroffen. Möglicherweise wird die Fashion Week beim nächsten Mal in den Westen der Ukraine ausweichen müssen.
weitere Unterstützung
Die Ukrainian Fashion Week in Kiew war auch ein Appell an die Menschen draußen. „Man sagt uns oft, dass die Welt dieses Krieges müde ist. Es ist sehr schmerzvoll für uns, das zu hören. Ich verstehe, dass die Menschen in Österreich und anderswo des Krieges müde sind“, sagt Danylewska.
Aber mit der Fashion Week wolle man nicht nur Talente zeigen. Sie hoffe, „wenn Leute sehen, dass diese Menschen nur deshalb getötet werden, weil sie Ukrainer sind, dass sie dann ihre Regierungen auffordern, der Ukraine zu helfen“.
Harald Jungreuthmeyer (Text), für ORF Topos, Zita Klimek (Bildredaktion), ORF Topos
Link:
Ukrainian Fashion Week