Video und Fotos-Deutsche Abschiebungen nach Afghanistan
Debatte erreicht Österreich

Nachdem Deutschland das erste Mal seit 2021 Freitagfrüh wieder Menschen direkt nach Afghanistan abgeschoben hat, wird der Ruf danach auch in Österreich lauter. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) begrüßte die Entscheidung und drängte auf Abschiebungen, wenn auch über „Umwege“. FPÖ-Chef Herbert Kickl nannte die Entscheidung „längst überfällig“. SPÖ und Grüne wollten Abschiebungen, wenn sie rechtlich möglich seien. NEOS zeigte sich verwundert, warum das in Deutschland, aber nicht in Österreich umsetzbar sei.
Österreich sei in dieser Frage gut mit dem Nachbarland abgestimmt, sagte Nehammer am Freitag bei einer Pressekonferenz. Man schiebe bereits Afghanen ab. Der „nächste Schritt“ sei nun, sie auch direkt nach Afghanistan zu bringen. Mit dem dortigen Taliban-Regime sei es „ein Stück weit kompliziert“. Man müsse daher „Umwege suchen“.
Auch die Rücküberstellung von Geflüchteten aus Deutschland in Nachbarstaaten gemäß der Dublin-Verordnung begrüßte Nehammer. Viele der jetzt umgesetzten Dinge „gibt es in Österreich schon“. Es habe lange gebraucht in Deutschland, entscheidend seien aber die jetzigen Fortschritte. Nehammer: „Wir sind froh, dass wir jetzt Verbündete sin
Deutschland hatte am Freitag das erste Mal seit der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban 2021 wieder Menschen direkt nach Afghanistan abgeschoben. „Es handelte sich hierbei um afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit.
Der „Spiegel“ berichtete zuvor, die Abschiebungen seien mittels einer Chartermaschine von Qatar Airways vom Flughafen Leipzig aus erfolgt. Der Flug sei um 6.56 Uhr in Richtung Kabul gestartet, berichtete die Zeitschrift. Die 28 Straftäter an Bord seien dazu aus verschiedenen Bundesländern nach Leipzig gebracht worden, hieß es weiter. Die Aktion sei federführend vom SPD-geführten Innenministerium organisiert und gemeinsam mit dem Kanzleramt seit gut zwei Monaten vorbereitet worden, so der „Spiegel“.
Wohlwollend äußerte sich am Freitag auch Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) zur deutschen Entscheidung. Es handle sich um eine „sehr gute“, wenn auch „nicht überraschende Nachricht“, sagte er am Rande eines Pressetermins in Mödling auf APA-Nachfrage. Man stehe in dieser Sache seit Monaten in engem Austausch mit den deutschen Behörden. Nun komme „endlich Bewegung in die Sache“, so Karner. Ziel sei, dass Deutschland und Österreich gemeinsam Abschiebungen Richtung Afghanistan mit regionalen Partnern durchführen.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) sei auf Basis der Länderberichte schon vor längerer Zeit zu der rechtlichen Einschätzung gekommen, dass wegen der geänderten Sicherheitslage in Afghanistan in bestimmten Einzelfällen eine Abschiebung nach Afghanistan wieder zulässig sei, wurde im Innenministerium betont.
Ein Erkenntnis des VfGH vom Juli, das allerdings nicht auf alle Afghanen anwendbar ist, bestätigte diese Einschätzung aus Sicht des Ressorts. Aktuell würden Ministerium und BFA intensiv an einer Umsetzung von Abschiebungen nach Afghanistan arbeiten, dazu liefen Gespräche mit mehreren europäischen Ländern.
Laut Zahlen des Innenministeriums wurden seit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 insgesamt 553 Ausreisen von afghanischen Staatsangehörigen aus Österreich registriert, davon 157 Abschiebungen ohne Zwangsmaßnahmen nach einem entsprechenden Bescheid. Bei den 396 zwangsweisen Rückführungen gab es 362 Dublin-Abschiebungen in andere EU-Mitgliedsstaaten – zuletzt vor allem Bulgarien und Rumänien – und 34 in Drittstaaten.
Ähnlich sah es erwartungsgemäß Kickl: „Das Abheben der Abschiebeflieger nach Afghanistan ist auch bei uns schon längst überfällig und wird von der Bevölkerung erwartet“, erklärte er in einer Aussendung. Bei der ÖVP vermisste Kickl hingegen „jegliche Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit“, sie sperre sich in Wahrheit gegen Abschiebungen. Nehammer und Karner „reden nur von Abschiebungen nach Afghanistan, kommen aber nicht in die Umsetzung“.
Im Ö1-Mittagsjournal wunderte sich der NEOS-Abgeordnete Nikolaus Scherak darüber, „dass Karner nicht längst Informationen aus Deutschland eingeholt hat“. Wenn die Bundesrepublik nach Afghanistan abschieben könne, „müsste das auch in Österreich umsetzbar sein“, so Scherak. SPÖ und Grüne betonten, Abschiebungen sollten dann durchgeführt werden, wenn sie rechtlich möglich sind.
Genau das bezweifeln aber die Grünen im Fall von Afghanistan. Denn es bräuchte dafür „Rückführungsabkommen auf Augenhöhe“, und das sei mit „den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich“, hieß es in einer Stellungnahme gegenüber der APA. Man stehe aber Wegen wie jenem, den die deutsche Bundesregierung gewählt hat, „offen gegenüber“. Insbesondere dann wenn die Einzelfälle überprüft werden. Ob das auch in Österreich rechtskonform und praktisch möglich ist, müsse das Innenministerium prüfen.
Die Abschiebung von Straftätern nach Afghanistan ist umstritten: Kritiker und Kritikerinnen halten sie für nicht vereinbar mit dem deutschen Grundgesetz und dem Völkerrecht, denn in Afghanistan drohen Menschenrechtsverletzungen. „Menschenrechte haben wir alle – und niemand darf in ein Land abgeschoben werden, wo Folter droht“, sagte Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Außerdem wird befürchtet, den Taliban durch eine Zusammenarbeit Legitimität zu verleihen.
In Afghanistan hatten im Sommer 2021 kurze Zeit nach Ende eines fast zwei Jahrzehnte dauernden NATO-Einsatzes in dem Land die Taliban die Macht zurückerobert. Zu Beginn hatten die Taliban noch eine moderatere Regierungsform in Aussicht gestellt. Ihre Regierung ist jedoch äußerst autoritär.
Vorangegangen war den Abschiebungen auch eine Debatte über Sicherheit und Migration nach dem Anschlag in Solingen. Auf einem Stadtfest waren vergangene Woche drei Menschen getötet und acht weitere teils schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 26-jähriger Syrer, wurde am Samstag festgenommen.ei Asyl und Sicherheit nach
Die deutsche Bundesanwaltschaft geht von einer Tat mit islamistischem Hintergrund aus. Erst am Donnerstag hatte die deutsche „Ampelkoalition“ neue Maßnahmen zum Schutz vor islamistischem Terror, gegen irreguläre Migration und zur Verschärfung des Waffenrechts präsentiert.
Es umfasst eine Ausweitung von Messerverboten, Leistungskürzungen für ausreisepflichtige Flüchtlinge, zusätzliche Ermittlungsbefugnisse für Sicherheitsbehörden und mehr Präventionsprojekte gegen Islamismus. Die Maßnahmen, die von Faeser und Justizminister Marco Buschmann (FDP) präsentiert wurden, sollen die Sicherheit erhöhen.