Video und Fotos-Innenministerium leitet Ermittlungen gegen rechtsextremen Identitären Bewegung ein

Nachdem der deutsche Fernsehsender RTL eine Reportage zur rechtsextremen Identitären Bewegung ausgestrahlt hatte, die zeigt, wie etwa bei einer Feier in Wien gewaltverherrlichende und den Holocaust relativierende Aussagen fallen, hat das Innenministerium laut einer Stellungnahme von Donnerstag Ermittlungen eingeleitet.
„Es waren keine sechs Millionen Juden“, behauptet eine Teilnehmerin im Beitrag, sondern höchstens 175.000, die von den Nazis ermordet wurden. Den Mord an Jüdinnen und Juden bezeichnet sie als „geil“. Auch ein „Srebrenica 2.0“ wird gefordert: Bei der bosnischen Stadt Srebrenica wurden in einem Genozid im Juli 1995 über 8.000 muslimische Buben und Männer von serbischen Truppen ermordet. „Deutschland braucht ein Srebrenica 2.0“, sagt eine Frau. Ein anderer bei der Feier Anwesender nennt 1995 wegen des Genozids ein „gutes Jahr“.
Das Team von RTL recherchierte laut eigener Angabe für die Reportage vier Monate undercover, auch bei einer Demo der rechtsextremen Identitären in Wien, wo Aufnahmen auch klar rechtsradikale Tattoos wie die aus übereinandergelegten Hakenkreuzen bestehende „schwarze Sonne“ auf dem Arm eines Teilnehmers zeigen sollen. Einige der beobachteten Personen haben laut RTL auch Kontakte zur in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland (AfD)
Auf ihrem Telegram-Kanal reagierte die Identitäre Bewegung laut Ö1 auf die Reportage. Im Stil des „Ibiza-Videos“ seien verdeckte Journalisten eingeschleust worden. Von der Holocaust-Leugnerin distanziere man sich, diese sei kein Mitglied und keine Aktivistin der Identitären Bewegung. Laut RTL gab auch die AfD an, dass die betreffende Person die Partei kurz nach der Recherche verlassen habe.
„Umfassende“ Ermittlungen
Aktuell laufen laut Innenministerium Ermittlungen gegen mehrere Personen wegen des Verdachts gerichtlich strafbarer Handlungen. Um welche Straftatbestände es dabei genau geht – etwa Verhetzung oder Verstoß gegen das NS-Verbotsgesetz –, war am Donnerstag noch nicht klar. Die Ermittlungen würden jedenfalls „umfassend“ geführt, hieß es auf Nachfrage.
Wie der „Standard“ am Donnerstag berichtete, nahm das Wiener Landesamt für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung bereits Ermittlungen auf. „Die Aufnahme vom 19. Juli 2024 werde gesichtet und auf strafrechtliche Relevanz geprüft, anschließend werde an die Anklagebehörde berichtet, die über die weiteren Schritte entscheide“, heißt es dort.
Unter Beobachtung des Verfassungsschutzes
Die rechtsextremen Identitären stehen in Österreich ebenso wie ihre Ableger und Splittergruppen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Im jüngsten Verfassungsschutzbericht wurde ein „erhöhtes Gefahrenpotenzial für den demokratischen Rechtsstaat“ durch die „Neue Rechte“ festgestellt, sei deren Ziel doch die „Überwindung der herrschenden demokratischen, rechtsstaatlichen und gesellschaftlichen Ordnung“.
Die seit 2012 bestehende Identitäre Bewegung wird seitens des Verfassungsschutzes als Gruppierung der „Neonazi-Szene“ oder der „sogenannten ‚Neuen Rechten‘“ angeführt. Konkret heißt es im Bericht dazu, es sei der „Neuen Rechten“ gelungen, den öffentlichen Diskurs zu beeinflussen und Narrative wie „Bevölkerungsaustausch“ und „Remigration“ zu streuen. Und weiter: „Diese nationalsozialistisch konnotierten Begriffe werden als rechtsextremistisch eingestuft, da mit diesen verschleiert ‚die Umvolkung‘ oder ‚der Volkstod‘ benannt werden.
FPÖ will Haltung zu Identitären nicht ändern
FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker verurteilte die in der Doku gefallenen Aussagen „aufs Schärfste“, wie er am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz sagte. „Dagegen verwehren wir uns mit aller Kraft.“ Die FPÖ werde aber ihre Haltung zu den rechtsextremen Identitären nicht ändern.
„Warum sollte ich mich gegen eine Gruppe von Bürgern stellen, die von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen und auf Probleme in der Zuwanderung hinweisen?“ In Sachen Sicherheit gehe in Österreich vieles in eine falsche Richtung, was auch vielen auffalle. „Dass sie damit nicht zufrieden sind, ist zu respektieren.“ Man werde den Menschen „sicher nicht untersagen, dass sie dagegen aufstehen“.
Der „Standard“ schreibt dazu: Die Beziehung zwischen Identitären und FPÖ sei jedenfalls seit der Übernahme der Partei durch Herbert Kickl eine „symbiotische“. Der Parteiobmann habe die Gruppierung als „NGO von rechts“ bezeichnet, auch „inhaltlich und personell gibt es viele Überschneidungen“.
Grüne: Verbindungen zu FPÖ „bedenklich“
Für Grünen-Chef Werner Kogler wurde mit den bekanntgewordenen Äußerungen „jede Grenze überschritten“. „Diese Hetzer müssen die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommen“, begrüßte er die Ermittlungen und forderte ebenfalls eine unmissverständliche Distanzierung der FPÖ von den Identitären und deren „Holocaust-Verharmlosungen“ und „Massenmordfantasien“. Es dürfe kein blaues Wegschauen und Kollaborieren mehr geben, forderte der Vizekanzler.
ÖVP: Über Verbot nachdenken
Ähnliche Töne schlug Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) in einer Aussendung an: „Die vom deutschen TV-Sender RTL veröffentlichten Recherchen zur Genozid- und Holocaust-Verherrlichung bei den Identitären sind widerwärtig und erschütternd. Hier muss die volle Härte des Rechtsstaats greifen.“ Von Kickl forderte die Ministerin ein „sofortige und deutliche Distanzierung“.
Claudia Plakolm (ÖVP), Staatssekretärin für Jugend, sagte gegenüber Ö1, man müsse über ein Verbot der rechtsextremen Identitären nachdenken, denn „wenn Aussagen wie diese fallen, dann ist das keine Jugendsünde, sondern das ist ganz klar abzulehnen“. Das sei Extremismus, „das ist der Aufruf zum Massenmord und das hat definitiv nichts in unserer Gesellschaft verloren und das muss mit strengen Konsequenzen einfach auch versehen sein“.
Zudem kritisierte die ÖVP die FPÖ: „Diese ungeheuerliche Entgleisung als Einzelfall zu verurteilen und das große Ganze, nämlich die Identitäre Bewegung, zu unterstützen, ist inakzeptabel und entlarvend“, so Generalsekretär Christian Stocker in einer Aussendung. „Dass FPÖ-Generalsekretär Hafenecker nicht dazu bereit ist, die Haltung der FPÖ zu den Identitären zu überdenken, zeigt wieder einmal ganz klar, dass die FPÖ unter Kickl zu einer rechtsextremen Partei geworden ist.“
SPÖ und NEOS fordern Konsequenzen
Kritik übte auch die SPÖ-Sprecherin für Erinnerungskultur, Sabine Schatz. „Die engen Verbindungen zwischen der FPÖ und den Identitären sind schon lange nicht mehr von der Hand zu weisen“, sagte sie. Schatz verwies auf den Anstieg rechtsextremer Straftaten im vergangenen Jahr und drängte auf die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans gegen Extremismus.
Für NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper ist es „erschütternd und in höchstem Maße alarmierend, welches Gedankengut hier offen zu Schau getragen wird“. Überrascht sei sie davon aber nicht, denn Österreich sei „viel zu oft auf dem rechten Auge blind“. Der Verfassungsschutz sei von der FPÖ „nachhaltig geschädigt“ und von der ÖVP „nicht stark genug wieder aufgestellt“ worden, so Krisper.
Link-Video
https://x.com/i/status/1828556435489190284